Donnerstag, 29. Dezember 2011

Kastenweißbrot, Schnullerräuber und Rolf

Concerto Torte Lenôtre
Gestern war ich zufällig gerade in der Nähe vom KaDeWe und es war Kaffeezeit – meine schönste Zeit des Tages. Da freue ich mich immer schon den ganzen Tag drauf – auf eine kleine Auszeit bei Kaffee und Kuchen. Also fuhr ich schnurstracks in die 6. Etage zum Lenôtre, das für das Aushängeschild französischer Patisserie der Extraklasse steht.
Ich setzte mich gut gelaunt auf einen Barhocker am Tresen und bestellte einen Milchcafé – den ich prompt ohne dem obligatorischen Glas Leitungswasser bekam. Und das im berühmten KaDeWe, dem größten Kaufhaus auf dem europäischen Kontinent!
An der Kuchentheke versperrte mir eine junge Mutter mit ihrem Kinderwagen, der so groß war, dass Reiner Calmund bequem reingepasst hätte, die ganze Auslage des Tortenangebotes. Als ich sie höflich bat, das Monstrum etwas anders zu parken, sah sie mich mit toten Augen stumpfsinnig an wie ein Kastenweißbrot,
reagierte aber nicht. Sie ging nicht einen Millimeter mit ihrem Ungetüm zur Seite und unterhielt sich weiter mit einer Bekannten über einen gewissen „Mirko“, wahrscheinlich der Kindsvater.
Da ich nicht als mutmaßlicher Schnullerräuber verhaftet werden wollte, versuchte ich nur kurz über den Kinderwagen, aus dem es säuerlich roch, in die Kuchenvitrine zu spähen, bestellte hastig ein Stück Pralinentorte namens „Concerto“ mit Blattgoldverzierung (siehe Foto) und setzte mich wieder auf den unbequemen Barhocker. Aber immerhin noch besser als an den zahlreichen Stehtischen.
Nach dem ersten „Concerto“-Gabelbissen begann in meinem Gaumenraum nicht nur ein Concerto, sondern eine wahre Sinfonie. Alle Sorgen dieser Welt waren blitzartig vergessen! Pjotr Iljitsch Tschaikowski hätte in diesem Augenblick bestimmt eine ganze Sinfonie über dieses Geschmackserlebnis geschrieben. Piano beginnend über forte, um mit fortissimo den Höhepunkt der Gaumenexplosion zu vollenden – doch dazu kam es nicht. „Is‘ dit Ihr’s?“ schreckte mich eine rauhe Raucherstimme auf. Es war ein schinkenspeckgesichtiger Mann Mitte Fünfzig mit Bierbauch und in schlammfarbener Vintagekleidung, der extrem nach Zigarre stank und angewidert auf meine Collegemappe und meinen Übergangsmantel auf dem Barhocker neben mir deutete, als lägen da zwei halbverweste Weißfische. Falls der Mann eine gute Kinderstube genossen hätte, hätte es so geklungen: „Entschuldigung, ist der Barhocker noch frei?“ Hatte er aber nicht. Leider! Ich nahm trotz seiner ruppigen Art freundlich nickend meine Sachen, mangels Garderobe, notgedrungen auf meinen Schoß. Nun saß ich da, eingezwängt wie in einem überfüllten Luftschutzbunker im zweiten Weltkrieg – doch in Wirklichkeit saß ich im bekanntesten Kaufhaus Europas und aß meine Torte zu 4,95 Euro zu Ende. Versehentlich goss ich zu allem Überfluss auch noch reichlich Kaffeesahne in meinen Milchcafé, weil der Kaffeesahnebehälter genauso wie der Zuckerstreuer aussah. Und hinter meinem Rücken schubberten sich gaffende Touristen in teurer High-Tech-Kleidung vorbei, als müssten sie gleich noch zu einem Biwak in die Eigernordwand.
Zu meiner anderen Seite saß ein weißhaariger Mann, der der Bedienung ständig schlüpfrige Zweideutigkeiten zuraunte, dessen Wiederholung hier mir meine gute Erziehung verbietet. Ich wollte hier nur weg. Subito! Ich zahlte für einen mittelmäßigen Milchcafé mit zu viel Kaffeesahne und ein hervorragendes Stück Torte 8,50 Euro. Im Weggehen hörte ich noch, wie das ungehobelte Schinkenspeckgesicht mit feuchter Aussprache in sein Mobiltelefon dröhnte: “… ja, Dommrepp… da ha‘ ick ma von meener Ollen janz schön belatschen lassen...“. Er meinte mit „Dommrepp“ wahrscheinlich die Dominikanische Republik.
Auf dem Weg zur Rolltreppe sah ich, wie in der Teeabteilung einem Mann eine Packung Rooibush-Tee auf den Boden fiel. Anstatt ihn aufzuheben und ihn wieder ins Regal zu legen, ging er einfach achtlos weiter. Ich hob die Packung auf und legte sie zurück an ihren angestammten Platz und nahm die Rolltreppe, auf der ich auch noch von einem südländisch aussehenden Ehepaar angerempelt wurde, ohne dass man sich dafür entschuldigte. Plötzlich endete die Rolltreppe unverhofft in der 3. Etage. Ich fand aber keine andere Rolltreppe, die nach unten fuhr. Da ich in weiter Ferne einen Fahrstuhl entdeckte, beschloss ich, dort hin zugehen. Doch besser gesagt als getan.
Eine russische Oligarchengroßfamilie mit vielen sperrigen Tüten und Paketen bepackt, versperrte mir den Weg zum Fahrstuhl. Alle waren gerade mit ihren brillantenverzierten iPhones dabei, simsend die Welt um sich vergessend. Als ich höflich fragte, ob ich bitte einmal vorbei dürfe, wurde ich plötzlich mit allen russischen Flüchen bombardiert, die es in Russland gibt. Ich wollte nur raus, raus, raus! Ich bekam schlechte Laune und schaffte es gerade noch wie ein geprügelter Hund in den Fahrstuhl – doch oh Gott! – er fuhr wieder nach oben! Irgendwann fand ich dann aber die normale Rolltreppe. Am Ausgang gingen die Menschen kuhherdenartig ein und aus, ohne sich gegenseitig die Türen aufzuhalten. Endlich stand ich wieder unten auf der Straße vor meinem treuen Miele-Fahrrad. Ich schwang mich auf den Sattel und fuhr los in Richtung Heimat.
Während ich auf dem Kurfürstendamm von rüpelhaften Taxifahrern und übelgelaunten BVG-Bus-Fahrern gefährlich geschnitten wurde, dachte ich über die schlechten Umgangsformen nicht nur reicher Zeitgenossen nach. Sind es etwa die skrupellosen und unmoralischen Verhaltensweisen von Politikern und Bankern, die sich nun auf die Umgangsformen der Bevölkerung niederschlagen?
Während ich noch darüber nachdachte, sah ich von weitem Rolf Eden, der gerade zu Fuß an der Ecke Kurfürstendamm die Knesebeckstraße überquerte. Als er mich sah, rief er mir gut gelaunt „Exzellenz!“ zu und deutete augenzwinkernd einen Hofknicks an. Na bitte! Es gibt sie doch noch – die wohlerzogenen Leute - plötzlich war meine ganze schlechte Laune wie verflogen. Danke Rolf!

Samstag, 24. Dezember 2011

Charmant!

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Mittwochnachmittag in der Patisserie Harry Genenz in Westend. Zwei ältere Herren haben schon einige Gläser Rotwein getrunken und schimpfen über dies und das. Am Nachbartisch schaut eine ältere Dame pikiert herüber. Da ruft der eine Herr ihr zu: “Fühlen Sie sich beobachtet, gnädige Frau?” Sie schüttelt den Kopf. Er erwidert: “Dann sind sie hier richtig!”
Diese von mir persönlich erlebte und aufgeschriebene Geschichte erschien am 24.12.2011 auch im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik "Berliner Liste".

Sonntag, 18. Dezember 2011

Warum ich mein Geld lieber für Torten ausgebe


Gestern in der Herrenabteilung vom KaDeWe. Da sehe ich doch tatsächlich in einer Vitrine ein paar hässliche Socken für 860 Euro (siehe Foto)! Da war ich vielleicht von den Socken, das können Sie mir glauben. Dabei soll es sich um Vicuna-Socken handeln, die aus der seltensten und teuersten Wolle der Welt verarbeitet sind. Die Vicuna-Wolle aus Südamerika ist leichter, wärmer und weicher, als alle anderen Naturfasern, behauptet zumindest eine goldglänzende Schrifttafel. 
Früher in den 60er und 70er Jahren trug man entweder kratzige Wollsocken, die nach zwei Wäschen bequem einem Playmobil-Männchen passten oder hauchdünne Socken der Firma Goldfalter aus Helanca, so dass man nicht nur kalte sondern auch Schweißfüße bekam. Das ist heute Gottseidank anders. Ein paar gute Socken mit Woll- und Kaschmiranteil kosten so zwischen 10 und 18 Euro. Mit Warme-Füße-Garantie. Da brauche ich doch keine megateuren Vicuna-Socken.  
Und wer kennt das nicht? Man steckt ein Paar Socken in die Waschmaschine und es kommt nur eine Socke heraus. Was macht man dann? Schwupp, ist man 430 Euro los – auf Nimmerwiedersehen. Nein, nicht mit mir. Ich bin ja der Meinung, dass die Socken manchmal untereinander Ehestreit haben und deshalb ein Teil unvermutet verschwindet. Um ein neues Socken-Leben zu beginnen, flüchten sie dann heimlich in ein Paralleluniversum namens „Strümpfenien“, dass von einer mächtigen Schafwollsocke der Größe 58 regiert wird. Und auf eine seltene Vicuna-Socke wartet das Volk der geflüchteten Einzelsocken sicherlich nur noch. Vicuna-Socken wären in „Strümpfenien“ bestimmt etwas besonderes und würden von den Normalosocken mit Respekt behandelt werden.  
Noch ein Nachteil: Man kann noch nicht mal angeben damit, weil die Leute die Socken nicht sehen können, wenn man sie trägt. Es sei denn, man läuft ohne Schuhe. Aber so, dass man auch unter die Fußsohle schauen und das Label sehen kann. Vielleicht in einem albernen Monty-Python-Gang? Und zufällig vorbei kommende Sockenfachleute bleiben dann plötzlich stehen und sagen voller Ehrfurcht: „Schau mal, der trägt ja echte Vicuna-Socken – aus der teuersten Wolle der Welt! Das ist der Ferrari unter den Socken!“  
Aber wer kauft denn so etwas? Wahrscheinlich nur Angeber mit Geschmacksverirrung. Der einzige, der mir einfiele, wäre der zur Zeit wahrheitssuchende Tankstellenbesitzer und Noch-Bundespräsident Wulf. Denn der hat reiche Freunde, die ihm ohne weiteres mit „Krediten“ aushelfen können. Außerdem hat er schlechten Geschmack – denn wer würde sich sonst für über 500.000 Euro so ein hässliches Haus bauen? Dem könnte man bestimmt ohne weiteres diese Socken andrehen. Das passt dann wieder: Auf hässlichen Socken durch ein hässliches Haus laufen. 
Da bleibe ich lieber bei meiner Torte. Die macht mir gute Laune, man ist falschen Freunden zu nichts verpflichtet und wenn die Torte weg ist, weiß man, wo sie ist.

Montag, 12. Dezember 2011

Zuckerschock!

Schoko-Kuppel im Zuckerschock
Nein, keine Angst, werter Leser, ich habe nicht zu viele Torten gegessen - es ist ein neues Café selben Namens in Kreuzberg. 
Ich bestellte mir erwartungsvoll ein Stück Torte "Cassis mit Passionsfrucht". Während das adelige Fräulein, das mich begleitete, sich für das "Schoko-Kuppel-Törtchen" entschied. Beide Pretiosen waren zu unserer vollsten Zufriedenheit. Meine Cassis-Passionsfrucht-Torte" hatte einen herrlich mürben Tortenboden, der die fruchtig-süße Last mühelos trug, ohne ins Schwitzen zu kommen. Denn so müssen Fruchttorten sein - unten trocken, oben fruchtig-feucht - und nicht umgekehrt, was ich leider bei meinen zahllosen Café-Besuchen schon häufig festgestellt habe.
Die Torte scheint auch der Renner im Zuckerschock zu sein, denn schon nach kurzer Zeit war die vorher noch ganze Torte verkauft.
Auch meine Begleiterin war mit ihrer "Schoko-Kuppel" vollauf zufrieden, hatte aber anfangs Angst, die schöne goldverzierte glänzende Kuppel mit ihrer Kuchengabel zu zerstören. Das konnte ich nachvollziehen, denn es ist ein ähnliches Gefühl, als würde man in die Kuppel vom Petersdom stechen.
Und zu meiner großen Überraschung gab es zum Cappuccino automatisch ein Glas Leitungswasser wie es sich gehört. Das ist in Berlin leider nicht selbstverständlich und ich habe das schon oft bemängelt. Schon alleine dafür hätte das Zuckerschock einen Orden verdient!
Cassis-Torte mit Passionsfrucht im Zuckerschock
Ich habe mir fest vorgenommen, dort im Sommer öfter mal draußen, mit selbst gemachtem Eis aus dem Zuckerschock, in der Sonne zu sitzen, weil das Zuckerschock kein Gegenüber hat und dadurch den ganzen Tag lange Sonne hat. Und die Betreiber brauchen keine Angst zu haben, dass die andere Straßenseite plötzlich zugebaut wird. Denn auf der einen Seite der Bergmannstraße liegen  verschiedene Friedhöfe, die auf den Hängen ehemaliger Weinberge angelegt wurden. Und Tote bauen bekanntlich keine Häuser.
Auch ein großes Zeitschriften- und Illustriertenangebot lädt zum längeren Verweilen ein - ideal für arme Freiberufler, Künstler und Studenten.
Abends in meiner Charlottenburger Stammkneipe traf ich eine Bekannte, die von Beruf Ärztin ist. "Na? Was haste heute so gemacht?" fragte sie mich neugierig. "Ich war im Zuckerschock." antwortete ich ihr. Sofort warf sie mir einen kritischen Blick zu und griff instinktiv nach ihrer Arzttasche, um blitzschnell eine Insulinspritze aufzuziehen. "Nein, nein, " beruhigte ich sie, "ich bin nicht durch mein tägliches Tortenessen zum Diabetiker geworden.", und klärte sie auf. Denn meine Formel "NES" bewahrt mich davor, zuckerkrank zu werden (siehe dazu auch meinen vorherigen Artikel vom 8. Dezember auf diesem Blog)
Dieser nette Familienbetrieb mit dem perfekten Service ist einen Besuch wert, man wird danach immer wiederkommen. Nur einen kleinen Makel hat es doch: Es liegt nicht direkt vor meiner Charlottenburger Haustür.

ZUCKERSCHOCK, Bergmannstr. 59, Berlin-Kreuzberg

Donnerstag, 8. Dezember 2011

Törtchen auf Krankenschein

Käsesahne im Orangenmantel
Jetzt im Winter sorgen Lichtmangel und Kälte dafür, dass uns das Glückshormon Serotonin fehlt. Ein Mangel davon kann zur Zuckerkrankheit führen. Ich will aber gesund bleiben. Also ziehe ich mich, so gegen 14 Uhr, der Jahreszeit entsprechend warm an und gehe zu Fuß oder fahre mit dem Fahrrad in Richtung eines Cafés meiner Wahl. Dadurch nehme ich erst mal eine Lichtdusche um hinterher bei einem schönen Stück Kuchen oder Torte meine fehlenden Serotonine aufzufüllen. Immer wieder werde ich von Lesern gefragt, ob man vom täglichen Konditern gehen nicht dick wird. Keine Angst, davon wird man nicht dick. Merken Sie sich dabei nur die drei Buchstaben: NES. Das heißt: "Nur Ein Stück!" Und zwar pro Tag - und nicht pro Stunde.
Duett von der Holunderblüte mit Cassismousse
Heute möchte ich gern mal die Patisserie Werkstatt der Süße empfehlen. Hier bekommt man wohl mit die besten Törtchen Berlins. Sie sehen aus wie kleine Kunstwerke und man muss sie unentwegt anschauen, bevor man sich endlich einen Ruck gibt und sie mit der Gabel zerstört. Die Törtchen schmecken fantastisch und sind selbstverständlich ohne Konservierungsstoffe oder künstliche Aromen. Zum Beispiel bei dem Stück "Duett von der Holunderblüte mit Cassismousse" spiegelt sich der ganze Kosmos sommerlichen Fruchtgeschmacks wider. Dabei stört es nicht, in einem etwas kargen und ungemütlichen Raum sitzen zu müssen. Leider ist es etwas kundenunfreundlich, dass die Törtchen in der Vitrine keine Schildchen haben, denn man muss ständig fragen, was das für ein Törtchen ist und was es beinhaltet. Schließlich hat im Museum auch jedes Kunstwerk ein kleines Schildchen.
Weiße Schokolade mit Passionsfruchtkern
Eigentlich müsste man die Besuche in Cafés und Konditoreien von der Krankenkasse bezahlt bekommen - letztendlich beugt man damit der Diabetes vor.

Werkstatt der Süße · Husemannstraße 25 · 10435 Berlin-Prenzlauer Berg

Sonntag, 4. Dezember 2011

Gesundheit

Dienstagnachmittag in einer Arztpraxis in der Charlottenburger Schloßstraße. Ein 60-jähriger Mann bittet um eine Grippeschutzimpfung. Die Sprechstundenhilfe fragt ihn erstaunt: "Sie waren aber lange nicht mehr bei uns - was war denn los?" Der Mann: "Ich war gesund."
Diese Geschichte erschien am 4.12.2011 auch im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik "Berliner Liste".

Sonntag, 27. November 2011

Gefährlicher Möhrensaft

Es ist ein grauer Novembertag und vor meinem Fenster läuft ein Schwarzweißfilm ab. Ich beschließe, mir ein Glas frischen Möhrensaft zu machen. Das bringt Farbe nicht nur in den Alltag sondern auch in den Körper, gibt einen guten Teint und stärkt die Sehkraft für die Augen. Oder haben Sie schon mal ein Kaninchen mit Brille gesehen? (haha, alter Kalauer). Ich habe ein selbst erfundenes Spezial-Rezept und das geht so: Je nach Größe 4-6 Möhren, 1 säuerlicher Apfel, eine kleine Ingwerknolle und eine Gewürznelke.
Hinterher kommt noch etwas Zucker, 1 Spritzer Zitrone und ein Schuss Kürbiskernöl ins Glas. Kurz umrühren – fertig! Lecker! Als Deko ein paar Minzeblätter. Fröhlich vor mich hin pfeifend und voller Vorfreude auf den Power-Drink stecke ich nach und nach alles in den Entsafter, den ich mir schon zugelegt hatte, als noch die Berliner Mauer stand. Er ist zwar laut wie eine Boeing 707, tat aber immer brav seine Dienste. Ein Vorwendemodell sozusagen.
Als ich die Gewürznelke hineintue, wird das Motorgeräusch plötzlich etwas unruhig und der Entsafter beginnt zu zittern, als ob er vor etwas Angst hat. Ehe ich begreife, was los ist, gibt es einen unerwarteten Knall, laut wie ein Pistolenschuss und messerscharfe Plastikteile und zerraspelte Möhrenstücke fliegen wie Geschosse in der Küche herum. Ein scharfes Plastikteil durchschlägt sogar die Leinwand von einem Ölbild.
Noch Wochen später fand ich Plastikteile im Schlafzimmer und im Arbeitszimmer. Der Entsafter ist regelrecht explodiert. Ich bleibe wie durch ein Wunder unverletzt. Ja, nicht das kleinste Stückchen touchiert mich. Da muss mein Schutzengel in dem Augenblick richtig auf Zack gewesen sein. Tja, was so eine kleine Gewürznelke alles anrichten kann...

Sonntag, 20. November 2011

Traum in Weiß

KäsesahnetorteIch hatte schlechte Laune. Ein grauer Novembertag und Sorgen über Sorgen. Außerdem müsste ich mal wieder eine Tortenkritik schreiben, dachte ich sorgenvoll, während ich über die Goltzstraße radelte. Aber worüber? Denn die letzten Tage waren voll mit Interviewterminen, so dass ich kaum zum Konditern kam.
Plötzlich sehe ich ein Schild mit dem dazugehörigen Geschäft: „Café Sorgenfrei“. Ich fand eine Laterne, an der ich mein altes Miele-Fahrrad von 1953 anschloss und betrat das Café, legte ab und nahm auf einem pastellfarbenen Nierensessel der 50er Jahre Platz. Ich bestellte ein Stück Käsesahnetorte. Dazu einen Cappuccino und ein Glas Leitungswasser.
Ich erfuhr dass das „Café Sorgenfrei“ eine Kombination aus Café und Trödelladen der 50er- und 60er-Jahre ist. Man kann die ganze Einrichtung kaufen. Hier kann es passieren, dass mir der Sessel unter meinem gräflichen Gesäß weggekauft wird. Ich sehe in der Ecke unseren alten pastellfarbenen Küchenschrank mit integriertem Brotfach wieder und die passende Uhr ist auch da. Ich entdecke einen alten Rewe-Kalender von 1961 und diverse Tütenlampen.
In dem Laden, in dem einmal eine Fleischerei untergebracht war, kann man noch die wunderschönen Villeroy & Boch-Fliesen von 1910 an Wänden und Fußboden bewundern. Dazu hört man die Musik der Fifties und Sixties: Buddy Holly, Duke Ellington, Caterina Valente, Pat Boone, Connie Francis, Dean Martin. Es entweicht mir ein nostalgischer Erinnerungsseufzer nach dem anderen.
Ich blättere in der alten Revue von 1958, in der ausführlich über „Soraya – die Tragik einer Kaiserin“ berichtet wurde. Denn die damalige Gattin des Persischen Kaisers wurde nicht schwanger und der Schah wartete unruhig auf den ersehnten Thronfolger. Wir Kinder sangen damals immer nach der Melodie des „River Kwai Marsches“ auf der Straße spöttisch: "Schade - Soraya kriegt kein Kind. Schade - der Schah hat Luft im Spind."
Obwohl zwischen den Supermächten USA und UdSSR kalter Krieg herrschte, war die Zeit nicht so gefährlich wie heute mit all den terroristischen Anschlägen aus den unterschiedlichsten Lagern und der Weltwirtschaftskrise mit all ihren hochkriminellen Spekulanten an den Banken und Börsen der Welt. Nein, es war regelrecht gemütlich! Ja, sogar etwas naiv. Als Kind fuhr man chromblitzende Tretroller, war im Micky-Maus-Club und aß Nappos und Waffelbruch. Eine Kugel Eis kostete 10 Pfennige. Die Trümmergrundstücke des 2. Weltkriegs waren herrliche Abenteuerspielplätze und über die autoleeren Straßen knatterte höchstens mal eine Zündapp. Fernsehen? Hatte kaum jemand. Und wenn man mal telefonieren musste, ging man zum Nachbarn. Mittags gab es „Arabisches Reiterfleisch" á la Clemens Wilmenrod und in den Wartezimmern der Ärzte standen noch wie selbstverständlich Aschenbecher, von denen reichlich Gebrauch gemacht wurde und es gab niemand, der sich darüber beschwerte. Auch brauchten noch nicht vor den Geschäften Wachleute postiert werden, weil einfach nichts passierte.
Während ich noch so vor mich hin träumte, stand sie plötzlich vor mir! Ein Traum in Weiß - die Käsesahnetorte. Sie war gut gekühlt und hatte eine gerade Schnittkante. Daran erkennt man übrigens gute Torten. Die hausgemachte Torte hatte einen großartigen Käsesahnegeschmack und war ein lukullischer Hochgenuss. Und nicht so, wie meine letzte Käsesahnetorte vor ein paar Wochen in einer renommierten Berliner Konditorei, dessen Name zu nennen, meine gute Erziehung verbietet. Jenes Machwerk verdiente nicht die Bezeichnung „Torte“, schmeckte wie Schrauben und Nägel und sprengte mir fasst die Fußnägel weg. Aber nicht diese Sorgenfreitorte. Sie war perfekt wie ein fabrikneuer Bentley.
Ich hatte Glück. Niemand hatte mir in der Zwischenzeit den pastellfarbenen Nierensessel unter meinem gräflichen Gesäß weg gekauft. Als ich bezahlte, nahm ich noch eine Schachtel „Welthölzer“ für 1,50 mit und verließ gut gelaunt das Café Sorgenfrei. Als ich wieder auf der herbstnebeligen Goltzstraße stand, wusste ich endlich, welche Tortenkritik ich auf meinem Blog schreiben soll. Nämlich diese hier. Eine Sorge weniger.

Sorgenfrei, Goltzstraße 18, 10781 Berlin-Schöneberg

Ehrliche Currywurst

Mittwochnachmittag vor der „Currystation 36“ in der Otto-Suhr-Allee. Ein Mann zahlt seine Currywurst und will gehen, als er vom Imbissverkäufer zurück gerufen wird. „Hier…“, er gibt dem Mann Geld zurück „…Sie haben einen Euro zu viel gezahlt!“ Der Mann guckt erstaunt: „Sie sind aber ehrlich!“ Da antwortet der Imbissverkäufer: „‘Ehrlich‘ ist mein Mädchenname.“

Diese Geschichte erschien am 20.11.2011 auch im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik "Berliner Liste".

Dienstag, 18. Oktober 2011

Zunge in Autan




Von der avantgardistischen Gruppe Kraftwerk war ich damals in den 70er Jahren ein großer Fan. Ich hatte mir immer sehnlichst gewünscht, einmal in einem ihrer Musikvideos mitspielen zu dürfen.  
Die Berliner Gruppe Brandt Brauer Frick ist für mich heute das, was Kraftwerk einmal in den 70ern war. Nicht nur, weil sich ihr Artwork mit meinen Idolen etwas ähnelt. Sie sind nämlich auch avantgardistische Musiker und mixen außerirdische Cocktails aus Klassik, Techno und Elektronischer Musik zu einem angejazzten neuem Klangerlebnis.
In dem neuen Video "Pretender" von Brandt Brauer Frick geht es um das Zerrbild einer genusssüchtigen Gesellschaft, die sich letztlich selbst begräbt. Und ich mitten drin! So ist mein Wunsch doch noch in Erfüllung gegangen, wenigstens in einem Musikvideo von Kraftwerk des 21.Jahrhunderts mitzuspielen.
Für meine Rolle in dem Video werden mich viele Männer meines Alters beneiden und so mancher hätte dafür sicherlich viel Geld bezahlt. Doch ich kann Sie beruhigen. Da die alte Villa sich inmitten eines Sumpfgebietes befand, kamen auf einen Quadratmeter etwa einige Tredezilliarden Stechmücken und deshalb waren alle wohlgeformten Frauenbeine dick mit Autan eingeschmiert. Man kann sich vorstellen, wie sich eine Zunge anfühlt, die literweise Autan aufleckt - das schmeckt wie Hupe!
So, und nun viel Spaß bei der Suche nach dem Graf...

Sonntag, 16. Oktober 2011

KLAPPT DOCH!

Donnerstagabend im Intercity von Berlin nach Münster. Als der Zug in Wolfsburg hält, erschallt Beifall aus einigen Abteilen.

Diese Geschichte erschien am 16.10.2011 auch im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik "Berliner Liste".

Sonntag, 2. Oktober 2011

Kaiserwetter und Kaisertorte

Französische Zitronencremetorte Kaiserdiele BerlinAls ein Arzt einmal Kaiser Wilhelm II. beruhigte, er habe nur einen kleinen Schnupfen, soll sich der Kaiser empört haben: "Einen großen Schnupfen! Bei mir ist alles groß!" Hier irrte der letzte Kaiser: Denn das 1917 gebaute Straßenbahnhäuschen in Friedenau ist sehr klein und Wilhelm II. steht heute noch als Auftraggeber in den Bauunterlagen.
Nach den unterschiedlichsten Nutzern entdeckte eines Tages Oliver-Lloyd Böhm das Kleinod und erweckte es aus dem Dornröschenschlaf. Der Multikönner Böhm ist Schauspieler, Innenarchitekt, Designer, Koch und Maler und machte so aus dem alten Straßenbahnhäuschen auf einer Verkehrsinsel mit viel Sinn für kleine schöne Details einen Weingarten mit Kaffeebuffet und nannte es „Kaiserdiele“, weil es direkt am Reitweg des letzten Deutschen Kaisers lag. In der liebevoll gestalteten Speisekarte im Stil der damaligen Zeit findet man einige Klassiker aus der Kaiserzeit und auf der letzten Seite steht: „Druck: Katholische Mädchenbesserungsanstalt, Berlin SW“. Da musste ich sehr lachen. Speisekarte Kaiserdiele Berlin
So aufgeheitert wählte ich eine „Französische Zitronencremetorte“ (s. Foto) und dazu einen Cappuccino. Selbstverständlich bekam ich ohne Aufforderung ein Glas Leitungswasser dazu. So muss es sein und so liebe ich es! Apropos: Als der Marinefreund Wilhelm II. einmal Probleme mit Trinkwasser hatte, meldete sein Diener aufgeregt: "Majestät, wir haben einen Rohrbruch!" Daraufhin antwortete der Kaiser: "Dann bringen Sie mir meine Admiralsuniform!"
Zurück zur „Französischen Zitronencremetorte“. Es war ein wunderbarer warmer, goldener Oktobertag, also Kaiserwetter, und ich genoss die Torte. Beim ersten Bissen schmeckte sie noch etwas verhalten, als würde man mit angezogener Handbremse fahren – doch dann, als hätte jemand heimlich die Handbremse gelöst, entwickelte sie etwas zeitverzögert ihr ganzes zitroniges Aroma. Und der Abgang schmeichelte der gräflichen Kehle. Toll!!! Eine wahre Kaisertorte! Torte ist der Rettungsring auf dem Strom des Lebens, dachte ich und alle meine Sorgen waren für eine kleine Weile verflogen.
Während meine Geschmacksknospen etwas zu tun hatten, schaue ich auf die umliegenden Häuser des Liane-Berkowitz-Platzes. In Friedenau haben so berühmte Leute gewohnt oder wohnen noch wie: Max Frisch, Uwe Johnson, Kurt Tucholsky, Rainer Maria Rilke, Günter Grass und Herta Müller. Und Marlene Dietrich hat hier in der Nähe Theater gespielt und im Hinterzimmer einer nahegelegenen Kneipe haben sich die Comedian Harmonists gegründet.
Kaiserdiele Berlin 2Von Gästen am Nebentisch erfahre ich, dass nicht nur der Kuchen sondern auch die frankophil angehauchte Küche in der Kaiserdiele sehr zu empfehlen sei. Auch hier war Oliver-Lloyd Böhm sehr stilsicher, denn auch am Hofe des Kaisers wurde überwiegend französisch gegessen.
Ach ja, und noch einmal irrte „Willem Zwo“, als er nämlich zur Zukunft der Mobilität befragt wurde, antwortete er selbstsicher: „Das Auto hat keine Zukunft, ich setze aufs Pferd.“

KAISERDIELE, Südwestkorso 62a, am Liane-Berkowitz Platz, 12161 Berlin, Tel.  030-82 71 82 21

Geöffnet im Sommer von 16 bis mindestens 24 Uhr geöffnet. Im Winter ab 18 bis ebenfalls 24 Uhr

Montag, 12. September 2011

Vom Regen in die Traube

Traube BerlinEs war ein vernieselter Septembertag und da war es das Beste, mit meiner charmanten Begleitung vom Regen in die Traube zu gehen. Das klassizistische Gebäude von 1840 wurde von Prof. Hans Kollhoff mit viel Liebe bis ins kleinste Detail in ein Schmuckstück verwandelt. Mit einer zentralen Essigkastanie im granit-gepflasterten Hofgarten und Holzbriefkästen im Durchgang, deren Maserung exakt parallel mit der Wandvertäfelung einher läuft, strahlt die ehemalige Schmiede eine unaufdringliche Ästhetik aus. Dazu passte das Menü, das uns in die höheren Sphären des Gaumengenusses teleportierte. Wir wurden von einer Kaskade der unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen überrascht, so dass wir unsere Münder nicht mehr zu bekamen. Das war ganz praktisch, den dorthin verbrachten wir den getrüffelten Vulcanoschinken mit herrlichem knusprigem Zwiebelkuchen, zu dem passend der ersteTraube Berlin 2 Federweißer des Jahres gereicht wurde.
Nach einer traumhaft fruchtigen Tomaten-Consommé in der wir eine deliziöse Riesengarnele fanden und gefolgt von einem oberköstlichen Gelbflossenthunfisch, transportierten wir in unsere immer noch permanent offenen Münder einen zarten rosagebratenen Lammrücken mit einer würzigen Kräuterkruste, der auf der Zunge zerging. So wie wir. Vor lauter Genuss. Unsere Geschmacksknospen kamen, ebenfalls wie wir, aus dem Staunen nicht mehr heraus und wurden zum Schluss mit einer famosen Dessertplatte belohnt. Ich richtete mein Augenmerk als Tortengraf natürlich sofort auf die famose Citronentarte, die wohl alle 999 Citronentarts, die ich in meinem Leben schon so verschnabuliert habe, in den Schatten stellte. Chapeau! Dieses durfte ich auch den beiden Köchen Christian Gau und Jörg Paulick, die nicht nur groß im Können sondern auch von Gestalt sind, persönlich in der blitzblanken Küche ausrichten. Außerdem kamen wir noch zu der Ehre, den zufällig anwesenden Prof. Kollhoff zu begrüßen.
Das die immer passend zum Gang abgestimmten Weine in der Traube erstklassig waren, brauche ich hier ja wohl nicht groß erwähnen – bei dem Namen! Insgesamt kann man sagen: Dieser Besuch kam einem kulinarischem Himmelsritt gleich. Nach dem schlaraffischen Abend bekam ich am nächsten Morgen von meiner charmanten Begleitung eine SMS in der stand: “Ich schwebe immer noch im 7. Gourmethimmel!”. Besser kann man es wohl nicht sagen.

Sonntag, 11. September 2011

CHARMEOFFENSIVE

Freitagnachmittag in der Postfiliale am Spandauer Damm. Der Geldautomat ist kaputt und vor den Schaltern ist eine sehr lange Schlange. Eine stark übergewichtige Dame jammert lautstark, dass sie nun kein Fahrgeld für den Bus habe. Ein junger Mann erbarmt sich und bietet ihr an, sie mit seinem Auto zum nächsten Geldautomaten zu fahren. Die Frau meint: "Wenn ick da überhaupt rin passe?" Er beruhigt sie: "Ick hab'n Transporter."
  
Diese Geschichte erschien am 11.9.2011 auch im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik "Berliner Liste".

Dienstag, 30. August 2011

Wurststärke 12

Bevor ich mir ein schönes Rindersteak in die Pfanne haue, lese ich noch etwas in dem Buch "Fruchtfleisch ist auch keine Lösung". 
Es ist eine Sammlung von mehr oder weniger guten Geschichten über Vegetarier, Veganer, Fleischesser und Fleischverehrer. 35 Satiriker und Humoristen haben sich hier einmal mit dem Fleisch- Obst- und Gemüsekonsum beschäftigt. 
Besonders erwähnenswert finde ich Barbara Rademachers "Fleischliche Gelüste - Ein Text mit Wurststärke 12 auf der Dichterskala" in einer wunderbar witzigen Sprache und von Volker Surmann "Das Schweigen der Hennen", weil Hühner meine Lieblingstiere sind. Summa summarum ist das Buch amüsant und lesenswert.
So, nun lege ich dass Buch beiseite und hole mir lieber ein paar Möhrchen aus dem Gemüsefach...

"Fruchtfleisch ist auch keine Lösung", Heiko Werning, Volker Surmann (Hrsg.), 190 Seiten, 12,90 €, erschienen im Satyr Verlag

Flughafen Schönefeld

In Berlin wird ein Flughafen gebaut und plötzlich wird von den Verantwortlichen festgestellt, dass so etwas auch Lärm verursacht. Schularbeiten nicht gemacht, setzen, Sechs!

Dienstag, 2. August 2011

Falscher Cappuccino und 12 Wespen

Das Schloss Charlottenburg wurde 1699 von Kurfürst Friedrich III. und späterer erster König von Preußen gegründet. Die Große Orangerie liegt links von der Schlosskuppel und der Vorplatz war früher der Küchengarten des Schlosses und dort steht noch ein 170 Jahre alter knorriger Maulbeerbaum. Maulbeerbäume wurden damals vom Alten Fritz überall in Brandenburg angepflanzt, um die immer hungrigen Seidenraupen mit den Blättern des Baumes zu füttern. Und nun kann man dort im Sommer in bequemen Korbstühlen Kaffee und Kuchen zu sich nehmen. Große Orangerie Chloss CharlottenburgEs war ein milder Augusttag und da ich hungrig wie eine Seidenraupe war, und der Kuchen zwischen 14 und 16 Uhr am süßesten schmeckt, wählte ich ein Stück Kirschstreusel, einen Cappuccino und dazu, wie üblich, ein Glas Leitungswasser. Die nette Kellnerin in langer Schürze erklärte mir in charmantem französischem Akzent, dass das Café leider nicht über einen Wasseranschluss verfügt und ich mit Selters vorlieb nehmen müsse. Ich teilte mir also den Kirschstreuselkuchen (für 3 Euro) mit zwölf Wespen, der recht ordentlich schmeckte – so ein bisschen zwischen Hohenzollern und Gardeoffizier. Ich nahm dazu einen Schluck Cappuccino, namens „Alfredo“. Das ist eigentlich eine Namenstäuschung, denn „Alfredo“ kommt nämlich in Wirklichkeit aus einer Hamburger Kaffeefabrik und hat Bella Italia nie gesehen. Und so schmeckte er auch. Die Minitasse kostete stattliche 3,30 EUR! 
Während ein Kind von einer Wespe gestochen wurde und von einem zufällig anwesenden belgischen Arzt-Ehepaar mit einem Wespenstich-Gel verarztet wurde und eine ältere Dame aus Hildesheim hysterisch gegen die Angriffe der Wespen mit der Speisekarte so heftig wedelte, dass ihr dabei die Tasse Pfefferminztee auf ihre beigefarbene Seniorenkleidung kippte, betrachtete ich entspannt die Kuppel des Schlosses und ich kam mir vor, als würde ich mich in einer kitschigen Fototapete befinden. Irrtümlicherweise wird von Touristenführern gerne behauptet, dass der Berliner Volksmund zur Schlosskuppel „Kaffeemütze“ sagt. Doch das stimmt überhaupt nicht. Oder haben Sie, lieber Leser, zu Hause noch eine Kaffeemütze? 
Während die Touristen hunderte Kilometer fahren müssen, um zu diesem schönen Anblick zu kommen, bin ich in weniger als fünf Minuten von zu Hause mit meinem ITS (Ich Trete Selbst) von 1953 da. Alles in allem eine schöne Kaffeestunde, aber - von 1699 bis heute wäre eigentlich genug Zeit gewesen, einen Klempner zu beauftragen, um eine Wasserleitung in die Große Orangerie zu legen. Oder?

Montag, 1. August 2011

Konditern in Münster

280934_188997757830621_100001611932224_525210_2314166_oIch lebe nun fast 30 Jahre in der Kuchen-Diaspora Berlin. Immer wenn ich meine Heimatstadt Münster besuche, fühle ich mich wie im Paradies - im Torten- und Kuchenparadies. Dann besuche ich meistens das Café Kleimann auf dem Prinzipalmarkt, wo schon mein Opa konditerte. Er kaufte sich dort gerne eine Tüte Marzipankartoffeln für 20 Pfennige, die er dann beim Schaufensterbummel „unter den Bögen“ genüsslich verzehrte. Das Café wurde durch Bomben im 2. Weltkrieg in Schutt und Asche gelegt – nur der historische Giebel von 1627 war wie durch ein Wunder stehen geblieben. Dort sitze ich am liebsten Nusssahnetorte Café Kleimannauf den 50er-Jahren-Cocktailsesseln im plüschigen „Blauen Salon“ mit einer Nusssahne-Torte, die ich dann bis zum letzten Zungenschlag genieße und lese dabei mit Vergnügen die Westfälischen Nachrichten. Oder es geht direkt vom Bahnhof ins Café Grotemeyer in der Salzstraße, wo ich gerne inmitten von Gemälden des Menzel-Schülers und Sohn des Café-Gründers, Fritz Grotemeyer (1864 -1947), meine Sinne schweifen lasse. Die Atmosphäre dort ist sehr anregend und fördert allerlei Kreatives aus meinen kleinen grauen Gehirnzellen hervor. Café Grotemeyer MünsterDanach fällt es mir immer schwer, wenn ich die heimliche Kuchen- und Tortenhauptstadt Münster wie­der in Richtung Kuchenwüste Berlin verlassen muss. Mein Nachbar in Berlin würde jetzt sagen: "Nu mach' ma hier nich den Lohenjrien, Jraf."
Fotos: Christian Hömberg (oben), L.G.v.B. (unten)

Donnerstag, 28. Juli 2011

Eiserner Wille

Dienstagmittag. Trotz Mittagshitze joggt ein übergewichtiger Mann mit hochrotem Kopf durch den Charlottenburger Schlosspark. Hinten auf seinem T-Shirt steht: "Yes, I can!"

Diese Geschichte erschien am 24.7.2011 auch im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik Berliner Liste.

Montag, 11. Juli 2011

Kanzlerin mobil

Sonntagnachmittag. Über dem Lietzensee kreisen zwei Hubschrauber der Bundespolizei. Ein Mann sagt zu seiner Frau: "Kiek ma Else, olle Merkel kommt aus'm Wochenende zurück."

Diese Geschichte erschien am 10.7.2011 auch im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik Berliner Liste.

Freitag, 8. Juli 2011

MARIA


„Warstn?“ war deine lapidare Frage am nächsten Tag bei facebook, als ich 2010 nicht auf einem Berlinale-Empfang unserer Agentur war, weil ich eine Lesung hatte. Wir hatten unsere eigene Sprache. An deiner Art konnte ich spüren, was Du mir sagen wolltest. Und ich verstand es. Andere hätten dafür drei DIN-A-4-Seiten vollgeschrieben. Aber Du warst darin die Meisterin im ausdrucksvollen Reduzieren.
Wie in deinen Rollen im Kino und im Fernsehen. Da warst Du überzeugend authentisch und beängstigend echt. Deine ausdrucksstarken Augen und deine einzigartige Stimme machten aus deinen Charakteren wertvolle Juwelen. Immer wenn ich Dich dann sah, vergaß ich die private Maria restlos und sah nur die Filmfigur in Dir.
Aber deine größte Leidenschaft war deine schrille und geniale Kunstfigur „Paff Meisi“! Ich werde nie vergessen, wie Du damit im HAU am Halleschen Ufer die große Theaterbühne gefüllt hast. Alleine! Das hat mich so schwer beeindruckt und ich habe es Dir auch gesagt. Am selben Abend bekamst Du noch DIE GOLDENE KAMERA von HÖRZU als beste Nachwuchsschauspielerin und wir konnten uns deshalb nur ganz kurz sehen. Ich freute mich so sehr über deinen Preis!



“Aquas de Meisi” mit Maria Kwiatkowsky in einer Doppelrolle


Das Theaterstück, und nicht zu vergessen deine außerordentlichen Paff-Meisi-Kurzfilme, waren das Grandioseste, was ich in letzter Zeit an Komik gesehen habe. Selbst nach mehrmals wiederholtem Anschauen schüttelten mich immer wieder Lachkrämpfe. Göttlich! Ich bezeichnete dich immer als der „weibliche Helge Schneider“. Und ebenso wie Helge, warst Du obendrein noch eine begnadete Sängerin. Zum Beispiel deine Interpretation von Antonio Carlos Jobims Aquas de marco (Aquas de meisi - “Mir juckt die Banane”) – unnachahmlich und genial!
Und dann hast Du mir auf deinem letzten Geburtstag am 23. April 2011 in deiner neuen und sehr liebevoll eingerichteten Wohnung noch gesagt, dass ich der Vater von Paff Meisi sein könnte. Weil wir beide ein Menjou-Bärtchen tragen und Krawattenträger sind. Und überhaupt. Da fühlte ich mich sehr geehrt von Dir, war stolz wie Oskar und bin mit stolz geschwellter Brust nach Hause gegangen, nein, eher geschwebt.
Nun bist Du weg. Und Paff Meisi auch, der alte Sausack. „Ich würde Jahrtausende lang die Sterne durchwandern, in alle Formen mich kleiden, in alle Sprachen des Lebens, um dir einmal wieder zu begegnen.“, hat Friedrich Hölderlin einmal gedichtet. Doch ich frage dich nur: „Bistn?“

Donnerstag, 7. Juli 2011

Alles Banane oder was?

Bananentorte Patisserie Pakolat 2Nein, nicht alles war Banane an dieser Torte, die ich heute in Prenzlauer Berg gegessen, nein, nicht gegessen sondern genossen habe. 
Sie hatte nämlich auch einen herrlich trockenen Biskuitboden, der einen schönen Kontrapunkt zu der köstlich leichten Buttercreme bildete, die liebevoll fruchtige Bananenstücke um- armte. Das ganze wurde von einem samtigen Schokoladenguss zusammengehalten.  Meine Geschmacksknospen auf der Zunge tanzten einen Rumba und ich aß die Torte extra sehr langsam, damit ich besonders lange etwas von ihr hatte. Ich saß vor der Konditorei und Kaffeerösterei Pakolat (www.kaffee-pakolat.de) an einem warmen, nachPakolat 4 Lindenblüten duftenden Sommertag an einem gusseisernen Kaffeehaustisch, aus einer Wohnung schallte das Lied “Michelle” von den Beatles zu mir herunter und ich hätte am liebsten die Zeit angehalten. Nach dem Verzehr sah mein Teller so sauber aus, als hätte die große Zunge einer Kuh drübergeleckt. Dazu trank ich einen sensationell kräftig schmeckenden Milchcafé. Bei starkem Kaffee werde ich immer schwach. Ich erfuhr von der Besitzerin, Frau Bohn, dass sie für die Torten zuständig ist und ihr Mann den Kaffee persönlich röstet. Ich Pakolatkonnte mir nicht verkneifen, ihr vorzuschlagen, eine neue Kaffeesorte zu kreieren, die “Bohn-Kaffee” heißt. Nomen est omen. In dem wunderbar nostalgisch eingerichteten Ladenlokal wähnt man sich in einem Kaufmannsladen der Jahrhundertwende und im Caféraum kann man durch ein riesiges Fenster direkt in die Backstube schauen. Frau Bohn erzählte, dass es den Laden erst seit anderthalb Jahren gebe und zu DDR-Zeiten sich dort wohl vermutlich eine Zweigstelle der Stasi befand, weil sie bei den Renovierungsarbeiten soviel Elektrokabel von den Wänden reißen mussten, dass man damit eine Kleinstadt mit Strom hätte versorgen können. Bevor die Stasi die Räume belegte, war dort die alteingesessene Bäckerei Haubold. Denn man fand tatsächlich bei den Renovierungsarbeiten in einer Ritze eine alte Haubold-Praline, die tatsächlich noch nach etwas Schokolade roch. In der Hektik kurz vor der Eröffnung verschwand jedoch unter mysteriösen Umständen die Praline. Pakolat 2Hat eine helfende Hand wegen totaler Unterzuckerung sie einfach kurzerhand verkasematuckelt? Oder hat sie sich die Stasi geholt, weil sich in der Praline geheime Dokumente befanden? Passend zur Bananentorte und dem Kalten Krieg fiel mir folgender Witz dazu ein, den man sich damals in West-Berlin erzählte: Kann man eigentlich aus einer Banane einen Kompaß machen? Na klar, abends die Banane auf die Berliner Mauer legen und da, wo am nächsten Tag abgebissen war, war Osten. Aber das ist schon lange her. Bei meinem nächsten Besuch probiere ich die Wirtschaftswundertorte (Erdbeertorte mit Buttercreme). Oder den Mohn-Mandel-Kuchen, oder die…, oder..., oder...?

Feinrösterei – Vorkosthandlung – Patisserie Pakolat, Raumer Straße 40, 10437 Berlin-Prenzlauer Berg, Öffnungszeiten: Mo., Mi.-Fr. 10:00 - 20:00 Uhr + Di., Sa.-So. 10:00 - 18:00 Uhr

Donnerstag, 30. Juni 2011

Oh lala!

gondelGötz Alsmann sammelt seit ewigen Zeiten frivole Herrenmagazine aus der Nachkriegszeit, die so wunderbare Namen wie „Gondel“, „Toxi“, „Paprika“ oder „Wiener Melange“ tragen und die aus der heutigen Sicht eher unfreiwillig komisch waren. Die Vorläufer des „Playboy“ eben. Galant, witzig und ironisch führt Alsmann mit Anekdoten und Reportagen aus diesen Magazinen durch den Abend. Da gibt es zum Beispiel die wunderbare Geschichte um die „Hohe Schule der Gattenliebe“ oder eine Anzeige von der „PinguiGötz Alsmann und Lo Graf von Blickensdorfn Bar – Deutschlands einzige Negerbar“ in der man „für 5 Mark splitternackte junge Damen“ betrachten konnte. Auch hörte ich das fast vergessene Wort „Bonboniere“ wieder. Die Zuschauer im Berliner Tipi bogen sich vor Lachen, so dass man fürchten musste, dass einige in der Mitte durchbrachen. Was aber Gottseidank nicht passierte. Zwischendurch gab es heiße Bossa-Nova-GötzRhythmen, die Götz virtuos mit seiner japanischen elektronischen Orgel von 1959 und zusammen mit der exzellenten und altbewährten Götz-Alsmann-Band zu Gehör brachte. Bei Titeln wie „Das sind die Beine von Doloros“ und „Ich küsse Ihre Hand Madame“ zuckten die, Gottseidank nicht durchgebrochenen, Zuschauer im Rhythmus wie elektrisiert mit. Ein sehr empfehlenswerter Abend – nicht nur für Herren! Anschließend gab es noch eine AfterLo Graf von Blickensdorf, Götz Alsmann und Bandshowparty (siehe Fotos) für alte Freunde des Meisters. Es wurden leckere Sachen kredenzt wie zum Beispiel „Vitello Tonata“, Rinderfilets, himmlische kleine Törtchen (!) und nicht zu vergessen: süffige geistige und nichtgeistige Getränke. Und lange schallte es aus dem Tipi noch: „Götz Alsmann – er lebe hoch!“

Dienstag, 14. Juni 2011

Kleine Erlebnisse großer Männer: Kant

Eines Tages geschah es Kant,
daß er keine Worte fand.
Stundenlang hielt er den Mund
und er schwieg nicht ohne Grund.
Ihm fiel absolut nichts ein,
drum ließ er das Sprechen sein.
Erst als man ihn zum Essen rief,
wurd' er wieder kreativ,
und sprach die schönen Worte:
"Gibt es hinterher auch Torte?"

Aus: "Gesammelte Gedichte 1954-2006"
von Robert Gernhardt, erschienen im
Fischer-Verlag, 700 Seiten

Montag, 13. Juni 2011

Nicht nur zu Halloween

Eine Novelle über den Tod? Ja. Aber was für eine! Das hat man vorher noch nie gelesen.
Erst verweigert sich der Tod , die kleine Audrey mitzunehmen und dann versucht er auch noch verzweifelt, ein Mensch zu werden. Die ganze Geschichte faszinierte mich derartig, dass ich die Novelle in einem Rutsch durchlesen musste. Der Autor und Regisseur Oliver Kyr hat die seltene Gabe, mit einer sehr kunstvollen Sprache zu fesseln. Gute Unterhaltung ist dabei garantiert und das Buch macht jetzt schon neugierig auf den nächsten Band. Oder gibt es davon etwa demnächst einen Film?
Summa summarum: Ein fantastisches Lesevergnügen – mit einem ungewöhnlichem Vorwort von Lo Graf von Blickensdorf – und dies nicht nur zu Halloween! Sehr Empfehlenswert!
(von Walter Wiesel)

Autor: Oliver Kyr, Herausgeber: Hans S. Link, Verlag: NOEL-Verlag, Vorwort: Lo Graf von Blickensdorf, Cover-Design: Gabriele Benz, Illustration: Maria Kaiser

Mittwoch, 8. Juni 2011

Künstlerposen

Er studierte in Berlin-Charlottenburg und ging dann nach Frankreich, "Das Auge von Paris", wie Henry Miller ihn nannte. Der 1899 in Ungarn geborene Brassaï fotografierte die bedeutensten Künstler seiner Zeit, etwa Picasso in seinem Atelier (Foto oben) oder Alberto Giacometti.
Aber auch die Graffitis (Foto unten) seiner Zeit interessierten ihn. Beides ist dort zu sehen, wo der Meister studiert hat: Museum Berggruen und Sammlung Scharf-Gerstenberg, vom 27. Mai bis 28. August in Berlin-Charlottenburg.

(Foto oben: Picasso und Der Redner von 1937  
Atelier  Rue des Grands Augustins, Paris, 1939© Estate Brassaï, Foto unten: Graffito aus der Serie „Masken und Gesichter“ o. D. (1935–1956) © RMN / Adam Rzepka)

Sonntag, 29. Mai 2011

Schwarzwälder Kirschtorte à la Selbstmordattentäter

Lieblos serviert im Raymons
Eigentlich sitzt man sehr schön, im "Raymons", an der Spandauer Frieda-Arnheim-Promenade. Auf der einen Seite fällt der Blick auf die historische Zitadelle und auf der anderen auf die alte Eisenbrücke, die auf die Insel Eiswerder führt, die man aus zahlreichen Edgar-Wallace-Filmen kennt. Ein um das andere Mal irrte Klaus Kinski als Psychomörder im Kunstnebel auf ihr herum. Denn in der Nähe befinden sich die legendären CCC-Filmstudios von Atze Brauner.
Es fehlt einem nur noch ein Stück Kuchen zum Glück. Ich bestellte also eine Schwarzwälder Kirschtorte und einen Cappuccino und ein Glas Leitungswasser. Doch was mir an diesem Sonntagnachmittag ein paar Minuten später vorgesetzt wurde, schrie zum Himmel. Eine Kellnerin stellte mir stolz und selbstbewusst mit einer Unschuldsmiene etwas vor mich hin, als wäre es ein Stück von der Torte, die den 1. Preis beim Internationalen Schwarzwälder-Kirschtorten-Wettbewerb gewonnen hätte. Doch was ich auf dem Teller erblickte, ließ mich erstarren. Das was die Bedienung als "Schwarzwälder Kirschtorte" bezeichnete, lag so auf dem Teller, als hätte sie mir ein Selbstmordattentäter serviert, just in dem Augenblick, wie er sich gerade in die Luft jagte. Das Stück lag lieblos auf der Seite und die Schokoflocken waren über den ganzen Teller verteilt. Außerdem war es alt, als wäre es aus der nahe gelegenen Zitadelle von einem Archäologen ausgegraben worden. Allerdings hätte es dann nicht so nach Chemie schmecken dürfen, denn damals gab es noch keine Chemie. Und das alles zu dem stolzen Preis von 3,50 EUR, der Cappuccino kostete 2,90 EUR.
In diesem Zusammenhang fällt mir der alte Witz wieder ein. Frage: Sind Spandauer schlechte Menschen? Antwort: Nein - aber grüßen muss man sie nicht.

Raymons (ehemals "Mississippi"),  Frieda-Arnheim-Promenade 7, 13585 Berlin-Spandau

Gute Ehe

Freitagnachmittag im Charlottenburger Park. Ein älteres Ehepaar steht am Schlossteich und beobachtet schweigend die quakenden Frösche. Nach einer Weile sagt der Mann zu seiner Frau: "Nun musste dir nur noch einen rausholen und küssen - dann haste endlich deinen langersehnten Traumprinzen."

Diese Geschichte erschien am 29.5.2011 auch im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik Berliner Liste.

Sonntag, 22. Mai 2011

Tag der Arbeit

Ein sonniger Nachmittag auf einer Liegewiese im Charlottenburger Schlosspark. Ein junges Paar legt sich in Badekleidung auf eine Decke. Nach zehn Minuten sagt die Frau zu ihrem Begleiter: "Boah, in der Sonne liegen ist ja ganz schön anstrengend."

Diese Geschichte erschien am 21.5.2011 auch im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik Berliner Liste.

Sonntag, 15. Mai 2011

Tortengedicht

Die Bedienung brachte umgekippte Torte,
in der Luft lag Tonband-Bach.
Da lag sie nun – mir fehlten die Worte.
„Was ist?“ – Ich sagte „Ach!“

Alien im Tiergarten

Freitagnachmittag bei einem Picknick im Tiergarten. Plötzlich großes Geschrei. Alt und Jung versammeln sich um eine Stelle. Man diskutiert aufgeregt und zeigt auf ein "komisches Tier". Alle rätseln, was es wohl sein mag. Als man näher kommt, entpuppt sich das "komische Tier" als - Maikäfer.

Diese Geschichte erschien am 15.5.2011 auch im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik Berliner Liste.

Montag, 25. April 2011

Urlaubsreif

Sonntagmorgen in einer Bäckerei in Charlottenburg. Eine Frau verlangt fünf Schrippen, ...aber bitte schöne braune!" Die Verkäuferin hält eine Schrippe hoch: "Brauner sind die alle nicht." Da sagt eine andere Frau: "Die waren ja auch noch nicht im Urlaub."

Diese Geschichte erschien am 24.4.2011 auch im Berliner TAGESSPIEGEL unter der Rubrik Berliner Liste.

Freitag, 15. April 2011

Eine Nacht in Casablanca

Natürlich war ich nicht nur eine Nacht in Casablanca. Das wäre ja auch schade gewesen. Aber in meinem Hotel war es so herrlich altmodisch, dass man glaubte, jeden Augenblick kommt Graf Pfeffermann mit Groucho Marx um die Ecke, wie in dem Marx-Brother-Film Eine Nacht in Casablanca. In einem Frühstücksraum mit orientalischen Glasdach (Foto oben links) und in Gesellschaft von turbanbedeckten Berbern und weiß verhüllten Tuaregs gab es ein karges Frühstück. Um nämlich später in der Patisserie Amoud richtig zuschlagen zu können. Obwohl erst Anfang März war, trug ich schon meinen leichten Sommeranzug.
Das Majestic-Hótel, das schon mal bessere Zeiten erlebt hatte warb noch mit Marmortafeln, auf denen stand: "Eau Courante, Chaude & Froide, Bains, Électricité, Ascenseur, Comfort Moderne". Es lag in der Innenstadt in einem verwinkelten Viertel, vor dem die Touristen gewarnt werden. Einmal fuhr ein Touristenbus vorbei, aus dem ängstliche Menschen sich ihre Nasen an der Scheibe platt drückten. Casablanca ist eine wunderschöne Stadt, die zu drei Vierteln aus heruntergekommenen, aber malerischen Art-Déco-Häusern besteht und morbiden Charme hat. Und das schönste: Nicht ein Tourist! Mich einmal ausgenommen. Das Straßenbild ist sehr morgenländisch und die Betriebsamkeit der Marokkaner ähnelt einem Ameisenhaufen. Die Menschen, ob arm, ob reich, sind alle freundlich und warmherzig.  Selbst von der Kakerlake morgens im Bad glaubte ich ein "Pardon Monsieur!" zu hören. 
Am besten ist, wenn man sich in eines der zahlreichen Straßencafés setzt und sich das Treiben, bei einem göttlich schmeckenden Kännchen Nâa-naa-Tee, auch Whisky Maroc* genannt, anschaut. Das ist tausend Mal besser als Kino und ich kam mir vor wie im Comic Tim & Struppi im Orient.
Dienstleistung wird hier noch groß geschrieben. Wenn ein Mensch aus Casablanca in Berlin an einem normalen Werktag über die Straße ginge, dächte er sicher, es sei gerade ein hoher Feiertag, an dem die Leute nicht arbeiten dürften. 
In der Patisserie Amoud ließ ich mir ein kleines Sortiment von Petit Fours zusammenstellen und setzte mich mit der Schachtel in ein Straßencafé, um sie dort bei einem Nâa-naa-Tee genussvoll zu verspeisen. Der Verzehr der Törtchen glich einem Himmelsritt wie im Märchen "1001 Nacht" - ich wusste einen Augenblick nicht mehr, wo ich war. In der Regel verzehre ich immer nur ein Törtchen am Tag. Aber wie sagte Groucho Marx so schön? "Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere." Womit alles gesagt wäre.


*Whisky Maroc: Das marokkanische Nationalgetränk wird von den Berbern liebevoll als Whisky Maroc bezeichnet, weil die Farbe des Tees an Whisky erinnert. Er besteht aus chinesischem Grünen Tee, frischer Nâa-naa-Minze und viel Zucker.