Dienstag, 2. August 2011

Falscher Cappuccino und 12 Wespen

Das Schloss Charlottenburg wurde 1699 von Kurfürst Friedrich III. und späterer erster König von Preußen gegründet. Die Große Orangerie liegt links von der Schlosskuppel und der Vorplatz war früher der Küchengarten des Schlosses und dort steht noch ein 170 Jahre alter knorriger Maulbeerbaum. Maulbeerbäume wurden damals vom Alten Fritz überall in Brandenburg angepflanzt, um die immer hungrigen Seidenraupen mit den Blättern des Baumes zu füttern. Und nun kann man dort im Sommer in bequemen Korbstühlen Kaffee und Kuchen zu sich nehmen. Große Orangerie Chloss CharlottenburgEs war ein milder Augusttag und da ich hungrig wie eine Seidenraupe war, und der Kuchen zwischen 14 und 16 Uhr am süßesten schmeckt, wählte ich ein Stück Kirschstreusel, einen Cappuccino und dazu, wie üblich, ein Glas Leitungswasser. Die nette Kellnerin in langer Schürze erklärte mir in charmantem französischem Akzent, dass das Café leider nicht über einen Wasseranschluss verfügt und ich mit Selters vorlieb nehmen müsse. Ich teilte mir also den Kirschstreuselkuchen (für 3 Euro) mit zwölf Wespen, der recht ordentlich schmeckte – so ein bisschen zwischen Hohenzollern und Gardeoffizier. Ich nahm dazu einen Schluck Cappuccino, namens „Alfredo“. Das ist eigentlich eine Namenstäuschung, denn „Alfredo“ kommt nämlich in Wirklichkeit aus einer Hamburger Kaffeefabrik und hat Bella Italia nie gesehen. Und so schmeckte er auch. Die Minitasse kostete stattliche 3,30 EUR! 
Während ein Kind von einer Wespe gestochen wurde und von einem zufällig anwesenden belgischen Arzt-Ehepaar mit einem Wespenstich-Gel verarztet wurde und eine ältere Dame aus Hildesheim hysterisch gegen die Angriffe der Wespen mit der Speisekarte so heftig wedelte, dass ihr dabei die Tasse Pfefferminztee auf ihre beigefarbene Seniorenkleidung kippte, betrachtete ich entspannt die Kuppel des Schlosses und ich kam mir vor, als würde ich mich in einer kitschigen Fototapete befinden. Irrtümlicherweise wird von Touristenführern gerne behauptet, dass der Berliner Volksmund zur Schlosskuppel „Kaffeemütze“ sagt. Doch das stimmt überhaupt nicht. Oder haben Sie, lieber Leser, zu Hause noch eine Kaffeemütze? 
Während die Touristen hunderte Kilometer fahren müssen, um zu diesem schönen Anblick zu kommen, bin ich in weniger als fünf Minuten von zu Hause mit meinem ITS (Ich Trete Selbst) von 1953 da. Alles in allem eine schöne Kaffeestunde, aber - von 1699 bis heute wäre eigentlich genug Zeit gewesen, einen Klempner zu beauftragen, um eine Wasserleitung in die Große Orangerie zu legen. Oder?

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