Dienstag, 31. Januar 2012

8 Kernsätze für den Adel

1. Der Adel (im Sinne von edel) ist nicht eine Sache des Namens. Wahrer Adel zeigt sich in entsprechend vorbildlicher Haltung und Lebensführung.

2. Der Adel unterliegt der täglichen Bewährung.

3. Der historische Adel lebt von und durch seine Familien, in denen er sich als Glied einer nicht endenden Kette mit den entsprechenden Konsequenzen sieht. Er steht in der besonderen Verpflichtung den Spagat von Vergangenheit bis zur Zukunft Kronezu einer Synthese zu verbinden. Sein Familienname ist Identifikation und ein besonders stark verbindendes Element seiner Familie.

4. Der Adel muss sich seiner Verantwortung gegenüber Staat, Kirche, Gesellschaft und Natur im Blick auf die Erhaltung seines kulturellen Erbes bewusst sein.

5. Der Adel hat keine Lebensberechtigung, wenn er nur von der Vergangenheit lebt und sich auf die historischen Taten beruft, an die seine Namen erinnern. 

6. Der Adel sollte offen gegenüber zeitgeistigen Entwicklungen sein, dabei ebenso seine Tradition, wo es nötig ist, anpassen und weiterentwickeln.

7. Der Adel wirkt im Besonderen durch Glaubwürdigkeit, Toleranz, Bescheidenheit, Einsatzfreude, Loyalität und Dankbarkeit. 

8. Der Adel sollte Vorbild in der Bewahrung erhaltenswerter Lebensformen sein, das kulturelle Erbe pflegen, die Langzeitwirkungen zeitgeistiger Strömungen auch im Hinblick der Überlebensfähigkeit der eigenen Familie immer wieder bedenken und auf Herausforderungen der Zeit aufgeschlossen reagieren.

Freitag, 20. Januar 2012

Massenbetankung für Koffeinabhängige

Portugiesisches Fruchttörtchen
Letzten Samstag besuchte ich mit einem Kollegen den Wochenmarkt auf dem beschaulichen Charlottenburger Karl-August-Platz, weit entfernt vom langweiligen Bionade-Ghetto Prenzlauer Berg. Anschließend wollten wir bei einem Kaffee noch etwas besprechen. Mein Kollege schlug eine Filiale so einer dieser obskuren Amerikanischen Kaffeeketten vor. 
Die total überteuerten Amerikanischen Kaffeeketten sind für mich keine Cafés sondern Massenbetankung für Koffeinabhängige und Geschmacksverirrte. Der labbrige Kaffee, vom Berliner „Lorke“ genannt, schmeckt modrig und die klebrigen Muffins schmecken wie alte Bremsscheiben, so dass einem beim Verzehr die Zehennägel in den Budapester Schuhen hochklappen. Von den ganzen Künstlichen Aromastoffen und Geschmacksverstärkern ganz zu schweigen. 
Außerdem ziehen die schlitzohrigen Betreiberkonzerne arme äthiopische Kaffeebauern über den Tisch. Also weigerte ich mich, dieses zu unterstützen und schlug stattdessen das ganz in der Nähe gelegene AnanastörtchenCafé Aller & Liebst vor. 
Dort bekamen wir eine sehr nette und ausführliche Kuchenberatung. Ich entschied mich für ein Portugiesen-Törtchen (siehe Foto oben) und mein Begleiter bestellte sich ein Ananastörtchen (Foto links). Kaum saßen wir, kam schon die Konditorin aus ihrer Backstube und, schwupps, bekamen wir  beide von ihr einen Löffel dunkler, warmer, himmlisch schmeckender, Schokoladenkuvertüre in den Mund gesteckt. „Nur so zum Probieren.“ meinte sie lächelnd. Wahrscheinlich weil sie uns als Torten-Kenner erkannt hatte. 
Das Portugiesen-Törtchen mit seinem exzellenten Blätterteigboden bestach durch Fülle und Komplexität, obwohl kein Portugiese drin war und mein Gaumen machte an diesem trüben Januartag eine unverhoffte kleine Sonnenreise. Und auch das Ananastörtchen erfüllte alle Kriterien. Alles ist garantiert ohne Künstliche Aromastoffe und Geschmacksverstärker und für Allergiker gibt es sogar auch lactose- und glutenfreie Torten und Kuchen. Dieses, von Mutter und Sohn betriebene, urgemütliche Kiezcafé, kann ich nur wärmstens empfehlen. 
Und außerdem trägt man so mit seinen Besuchen in kleinen Schritten dazu bei, böse amerikanische Großkonzerne zu zerschlagen. 

Aller & Liebst, Goethestr. 59, 10625 Berlin

Mittwoch, 11. Januar 2012

„Wer nicht genießt, wird ungenießbar.“

Johannisbeer Baiser bei Frau Behrens Torten
Das ist der Leitspruch von Frau Behrens Torten in der Wilmersdorfer Straße. Dem kann ich nur voll und ganz beipflichten. 
In der Tortenvitrine stehen amtliche Torten, wie sie in der Wirtschaftswunderzeit der 50er und 60er Jahre gerne von meiner Tante Friedchen gemacht wurden: Üppig in Form und Inhalt und mit allerbesten Zutaten. Auf ein paar Tausend Kalorien kam es nicht an. Ich schwankte zwischen der Nusstorte und der Johannisbeer-Baiser-Torte. Ich verzichtete auf die Nusstorte und wählte das Baiser-Stück, denn Nüsse sind ungeborene Bäume. 
Scherz beiseite. Als ich den kleinen Gastraum betrat, stellte ich fest, dass er brechend voll war. Ich fand nur einen freien Mini-Tisch. Ich legte ab, ließ mich dort nieder und wartete auf die Johannisbeer-Baiser-Torte. Leider stehen die Tische so eng zusammen, so dass man zwangsläufig das Intimspray der Nachbarin am Nebentisch riechen muss. Und der Geräuschpegel war zeitweilig so laut wie in einem orientalischen Basar kurz vor Basarschluß. Eine Tischnachbarin brüllte mir ins Ohr, dass es demnächst ein „TEFAL-Pfannen-Set für 17.99 Euro“ bei Penny gibt. Das war aber nicht für mich bestimmt sondern für ihre Freundin. Endlich kam meine bestellte Torte. Aufrecht und stolz wie es sich gehört stand sie auf einem schönen Blümchenkuchenteller. Die freundliche Bedienung stellte den Cappuccino und das von mir verlangte Glas Leitungswasser daneben.
Der Cappuccino war sehr gut und wurde in einer hübschen Tasse serviert, auf der „Heidi“ abgebildet war. Der Kaffee stammt nämlich aus der Schweiz und ein Teil des Erlöses geht an die Heidistiftung. Eine gute Sache. 
Nun widmete ich mich der Torte und kam ins Schwitzen. Nein, nicht weil die Größe der Torte mich an ein Schweizer Alpenpanorama erinnerte und mir Angst einflößte, sondern weil mein Katzentisch direkt an einem glühendheißen Heizkörper stand. 
Nachdem ich die erste Kuchengabel voller Torte im Mund spürte, vergaß ich für einen Wimpernschlag alles um mich herum. Die Mischung aus Eischnee und Johannisbeeren war wunderbar leicht und frisch wie eine Wolke im Frühling. Doch der Heizkörper strahlte so heiß und unerbittlich, da ist der Dampfkessel einer Lokomotive eine lauwarme Wärmflasche dagegen. Mir liefen kleine Schweißrinnsale in den Eterna-Hemdkragen und meine Nasenschleimhäute hätten es jederzeit mit einer 5000 Jahre alten ägyptischen Mumie aufnehmen können. Den Rest der Torte konnte ich leider nicht mehr richtig genießen, weil ich nun ungenießbar wurde. Da nutzten die beiden schönen Kronleuchter auch nichts mehr.
Den Leuten scheint es jedoch zu gefallen. Wie heißt es doch so schön? Alles Geschmacksache, sagte der Affe und biss in die Seife. 

Frau Behrens Torten, Wilmersdorfer Str. 96-97, 10629 Berlin