Sonntag, 27. Oktober 2013

Mangelerscheinung

Mittwochnachmittag in einem Café in der Kreuzberger Bergmannstraße. Eine junge Mutter mit zwei Kindern kommt gestresst herein, wo schon zwei andere Mütter ungeduldig warten. Sie sagt: “Ich glaube, ich habe eine Schlafstörung – und die heißt ‘Kinder’.”

Zug verpasst
Dienstagnachmittag im Charlottenburger Schlosspark. Vom Himmel ertönt das Trompeten der nach Süden ziehenden Kraniche. Sagt ein Mann wehmütig zu seinem Begleiter: “Alle hauen sie ab – nur wir müssen hier bleiben.”
Diese beiden, von mir persönlich erlebten und aufgeschriebenen Geschichten, erschienen am 27.10.2013 auch im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik "Berliner Liste".

Sonntag, 6. Oktober 2013

Serviervorschlag

Mittwoch, an einer Kneipe in der Kreuzberger Yorckstraße hängt ein Schild: “Königsberger Klopse mit Rote Bete und Salzkartoffeln, 9,80, dazu empfehlen wir Instagram mit dem Amaro- oder 1977-Filter.”
Diese von mir persönlich erlebte und aufgeschriebene Geschichte, erschien am 6.10.2013 auch im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik "Berliner Liste".

Donnerstag, 3. Oktober 2013

Waldorf Salat

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Obwohl das Romanische Café im Waldorf Astoria eine innen-architektonische Geschmacksverirrung ist (ich berichtete darüber), aß ich dort Anfang des Jahres vorzügliche kleine Törtchen, die ich auf jeden Fall wieder probieren wollte. Doch, oh Schreck, ich fand heute leider nur gewöhnliche Torten vor. Ich setzte mich also voller böser Vorahnungen an einen Tisch.
IMG_0943Die Kellnerinnen schauten etwas sparsam zu mir herüber, so dass ich nach 15 Minuten aufstehen musste, um mir an der Theke Gehör zu verschaffen. Ich bestellte die Schokotorte (s. Foto oben). Die Torte wurde leider mit einer vierzackigen Dessertgabel statt mit einer dreizackigen Kuchengabel serviert. Das fing ja schon mal gut an. Beim zerteilen mit der Dessertgabel zerfiel das Stück in lauter trockene Krümel. Der Kuchen (5,50 €, unerhört der Preis!) verkrümelte sich regelrecht. Da fiel mir unweigerlich der alte Witz wieder ein. "Herr Ober der Kuchen ist zu trocken!" Ober: "Dann machen Sie bitte den Mund zu, damit es nicht so staubt!"
Der Kuchen schmeckte nach einem Stück Pappe, in dem einmal vor langer Zeit minderwertige Schokolade eingepackt war und die Ummantelung bestand aus Billigmarzipan vom Konditorengroßhandel. Nun hatte ich den Salat! Kein schöner Nachmittag bei einem Großgenuss eines Petit Fours, bei dem ich meinen Gedanken nachhängen konnte. In dem Augenblick, als ich mich beschweren wollte, eilte lächelnd ein Kellner heran und ich wurde von ihm als "der Tortengraf aus dem Fernsehen" erkannt. Er hörte sich meine Kritik freundlich und verständnisvoll an, entschuldigte sich dafür und gelobte Besserung. Da die Petit Fours nicht so gut liefen, bekommt das Romanische Café nun von einer Konditorei (einer mittelmäßigen, deren Namen ich hier nicht nennen möchte) von außerhalb die Torten und den Kuchen geliefert, erfuhr ich von ihm. Dann stand ich auf und machte das, was der Kuchen zuvor gemacht hatte: Ich verkrümelte mich.

Romanisches Café im Waldorf Astoria Berlin, Hardenbergstraße 28, 10623 Berlin