Dienstag, 18. Oktober 2011

Zunge in Autan




Von der avantgardistischen Gruppe Kraftwerk war ich damals in den 70er Jahren ein großer Fan. Ich hatte mir immer sehnlichst gewünscht, einmal in einem ihrer Musikvideos mitspielen zu dürfen.  
Die Berliner Gruppe Brandt Brauer Frick ist für mich heute das, was Kraftwerk einmal in den 70ern war. Nicht nur, weil sich ihr Artwork mit meinen Idolen etwas ähnelt. Sie sind nämlich auch avantgardistische Musiker und mixen außerirdische Cocktails aus Klassik, Techno und Elektronischer Musik zu einem angejazzten neuem Klangerlebnis.
In dem neuen Video "Pretender" von Brandt Brauer Frick geht es um das Zerrbild einer genusssüchtigen Gesellschaft, die sich letztlich selbst begräbt. Und ich mitten drin! So ist mein Wunsch doch noch in Erfüllung gegangen, wenigstens in einem Musikvideo von Kraftwerk des 21.Jahrhunderts mitzuspielen.
Für meine Rolle in dem Video werden mich viele Männer meines Alters beneiden und so mancher hätte dafür sicherlich viel Geld bezahlt. Doch ich kann Sie beruhigen. Da die alte Villa sich inmitten eines Sumpfgebietes befand, kamen auf einen Quadratmeter etwa einige Tredezilliarden Stechmücken und deshalb waren alle wohlgeformten Frauenbeine dick mit Autan eingeschmiert. Man kann sich vorstellen, wie sich eine Zunge anfühlt, die literweise Autan aufleckt - das schmeckt wie Hupe!
So, und nun viel Spaß bei der Suche nach dem Graf...

Sonntag, 16. Oktober 2011

KLAPPT DOCH!

Donnerstagabend im Intercity von Berlin nach Münster. Als der Zug in Wolfsburg hält, erschallt Beifall aus einigen Abteilen.

Diese Geschichte erschien am 16.10.2011 auch im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik "Berliner Liste".

Sonntag, 2. Oktober 2011

Kaiserwetter und Kaisertorte

Französische Zitronencremetorte Kaiserdiele BerlinAls ein Arzt einmal Kaiser Wilhelm II. beruhigte, er habe nur einen kleinen Schnupfen, soll sich der Kaiser empört haben: "Einen großen Schnupfen! Bei mir ist alles groß!" Hier irrte der letzte Kaiser: Denn das 1917 gebaute Straßenbahnhäuschen in Friedenau ist sehr klein und Wilhelm II. steht heute noch als Auftraggeber in den Bauunterlagen.
Nach den unterschiedlichsten Nutzern entdeckte eines Tages Oliver-Lloyd Böhm das Kleinod und erweckte es aus dem Dornröschenschlaf. Der Multikönner Böhm ist Schauspieler, Innenarchitekt, Designer, Koch und Maler und machte so aus dem alten Straßenbahnhäuschen auf einer Verkehrsinsel mit viel Sinn für kleine schöne Details einen Weingarten mit Kaffeebuffet und nannte es „Kaiserdiele“, weil es direkt am Reitweg des letzten Deutschen Kaisers lag. In der liebevoll gestalteten Speisekarte im Stil der damaligen Zeit findet man einige Klassiker aus der Kaiserzeit und auf der letzten Seite steht: „Druck: Katholische Mädchenbesserungsanstalt, Berlin SW“. Da musste ich sehr lachen. Speisekarte Kaiserdiele Berlin
So aufgeheitert wählte ich eine „Französische Zitronencremetorte“ (s. Foto) und dazu einen Cappuccino. Selbstverständlich bekam ich ohne Aufforderung ein Glas Leitungswasser dazu. So muss es sein und so liebe ich es! Apropos: Als der Marinefreund Wilhelm II. einmal Probleme mit Trinkwasser hatte, meldete sein Diener aufgeregt: "Majestät, wir haben einen Rohrbruch!" Daraufhin antwortete der Kaiser: "Dann bringen Sie mir meine Admiralsuniform!"
Zurück zur „Französischen Zitronencremetorte“. Es war ein wunderbarer warmer, goldener Oktobertag, also Kaiserwetter, und ich genoss die Torte. Beim ersten Bissen schmeckte sie noch etwas verhalten, als würde man mit angezogener Handbremse fahren – doch dann, als hätte jemand heimlich die Handbremse gelöst, entwickelte sie etwas zeitverzögert ihr ganzes zitroniges Aroma. Und der Abgang schmeichelte der gräflichen Kehle. Toll!!! Eine wahre Kaisertorte! Torte ist der Rettungsring auf dem Strom des Lebens, dachte ich und alle meine Sorgen waren für eine kleine Weile verflogen.
Während meine Geschmacksknospen etwas zu tun hatten, schaue ich auf die umliegenden Häuser des Liane-Berkowitz-Platzes. In Friedenau haben so berühmte Leute gewohnt oder wohnen noch wie: Max Frisch, Uwe Johnson, Kurt Tucholsky, Rainer Maria Rilke, Günter Grass und Herta Müller. Und Marlene Dietrich hat hier in der Nähe Theater gespielt und im Hinterzimmer einer nahegelegenen Kneipe haben sich die Comedian Harmonists gegründet.
Kaiserdiele Berlin 2Von Gästen am Nebentisch erfahre ich, dass nicht nur der Kuchen sondern auch die frankophil angehauchte Küche in der Kaiserdiele sehr zu empfehlen sei. Auch hier war Oliver-Lloyd Böhm sehr stilsicher, denn auch am Hofe des Kaisers wurde überwiegend französisch gegessen.
Ach ja, und noch einmal irrte „Willem Zwo“, als er nämlich zur Zukunft der Mobilität befragt wurde, antwortete er selbstsicher: „Das Auto hat keine Zukunft, ich setze aufs Pferd.“

KAISERDIELE, Südwestkorso 62a, am Liane-Berkowitz Platz, 12161 Berlin, Tel.  030-82 71 82 21

Geöffnet im Sommer von 16 bis mindestens 24 Uhr geöffnet. Im Winter ab 18 bis ebenfalls 24 Uhr